Nie wieder ist jetzt!

von OzD

„Nie wieder ist jetzt“- das ist ein gängiger Spruch in diesen Tagen.

Wer diesen Spruch äußert, scheint politisch und moralisch auf der sicheren Seite zu stehen.
Gemeint ist damit wohl, dass Personen, die diesen Satz äußern, glauben, dass, wenn es ernst wird, sie für die Demokratie kämpfen werden und wollen.
Doch wie ist es dann möglich, dass die Wahlchancen der US-Republikaner und der AfD steigen, während sie sich immer weiter radikalisieren? Wie kann es sein, das in Teilen unserer Gesellschaft der Antisemitismus und der Rassismus so rasant zunehmen?

Vielleicht findet man einen Erklärungsansatz in der Art, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen.
Es scheint in Vergessenheit geraten zu sein, dass das Ringen um gemeinsame Lösungen bei Problemen zum Wesenskern einer Demokratie gehört.
Zu schnell steht bei Unklarheiten und Unstimmigkeiten gleich der Vertrauensverlust in Personen und dem System an sich im Raum. Zu oft scheint es nur um Machterhalt und das Diffamieren des politischen Gegners zu gehen.
Zu oft erleben wir den Abbruch oder gar eine Blockade von Diskursen, oder es findet gar kein Austausch von Argumenten statt, sondern ein Aneinandervorbeireden, um die eigene Position zu wahren.

Zwar können die Bürgerinnen und Bürger im politischen Prozess außen vorgelassen werden, wenn Entscheidungen gefällt werden, nicht jedoch, wenn diese Entscheidungen umgesetzt werden sollen. Um Ziele zu erreichen und keinen Vertrauensbruch zu schaffen, müssen die Bürgerinnen und Bürger „mit ins Boot geholt werden“. Dazu sind sie aber nur bereit, wenn sie verstehen, warum genau diese Maßnahmen und keine anderen notwendig sind und warum genau diese Kompromisse und keine anderen eingegangen werden sollen.
Das Zauberwort heißt hierbei Kommunikation und hieran mangelt es leider noch zu oft. Diese Aufgabe fällt neben der Politik auch den Medien und sozialen Netzwerken zu, die ihre Rolle darin sehen sollten, mehr zu differenzieren und zu moderieren, statt zu dramatisieren und zu skandalisieren, auch wenn dies Quoten und Likes bedeutet. Zu oft verbreiten sich mittlerweile vor allem in den sozialen Medien auf Grundlage von Algorithmen, die nicht auf den Wahrheitsgehalt abzielen, sondern auf eine maximale Nutzerbindung, Fake News und Verschwörungstheorien, was zu einer weiteren Polarisierung der Gesellschaft beiträgt. Kapitulation ist da keine Option, sondern es bleibt nur die Möglichkeit, sich den aktuellen Problemen zu stellen und nach Wegen der Regulation zu suchen, mit denen man den negativen Auswirkungen in der Öffentlichkeit entgegenwirken kann. Aber bei all diesen Prozessen tragen auch wir als Einzelpersonen Verantwortung. Wir dürfen nicht zulassen, dass wir im Familien- und Freundeskreis Krisen und Einstellungen verharmlosen, relativieren oder gar nicht erst thematisieren, weil man die argumentative Austragung eines Konfliktes vermeiden will.

In der gegenwärtigen Lage muss es darum gehen, genau jene mit der Diskussion darüber, was wahr und richtig ist, zu konfrontieren, damit man den Lügenpresserufern und Verschwörungstheoretikern nicht kampflos das Feld überlässt.
Wie Herr Habeck bereits am 02.11.2023 feststellte, sind die öffentlichen Debatten aufgeheizt, verworren und es wird zu viel zu schnell verwischt.
Wir alle tragen eine Mitverantwortung daran, dass Menschen in unserem Staat frei und sicher leben können. Antisemitismus und Rassismus sind nicht zu tolerieren. Toleranz darf Intoleranz genauso wenig hinnehmen wie einen Aufruf zur Gewalt gegen marginalisierte Gruppen.
Tatsachen dürfen nicht verkehrt werden, sondern müssen differenziert dargestellt werden.

Dies kann und darf nicht nur die Aufgabe der Politik, der Medien und der Schule sein, sondern jeder einzelne von uns sollte den Mut aufbringen, sowohl gegen den islamistischen Antisemitismus als auch gegen den verfestigten Antisemitismus und Rassismus in unseren Gesellschaft Stellung zu beziehen.
Nur wenn wir die Gefühle und Ängste von unseren Mitmenschen ernst nehmen, können wir uns in Liebe begegnen.

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